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Fit für die Zukunft
Was sind die Problemstellungen von morgen? Um in einer Zeit zunehmend schnellerer Veränderungen in Einsätzen bedarfsgerecht reagieren zu können, muss vorausschauend und fortschrittlich gedacht und gehandelt werden. So rüstet sich das Bayerische Rote Kreuz für die Zukunft.
Wenn man stolz auf etwas ist, möchte man dies natürlich auch zeigen. Und so war es nicht verwunderlich, dass die Teilnehmer der Regionalkonferenz in Bayreuth, einer von sechs Informationsveranstaltungen zum Strategieprojekt ‚BRK der Zukunft‘ im Spätherbst dieses Jahres, den ganzen Tag durch von einem im ersten Augenblick etwas befremdlich wirkenden Tablet auf zwei Rädern begleitet wurden. Zeit ist das höchste Gut in einem Notfall. Und Zeit einsparen rettet Leben. Im Ernstfall ist der Vorteil, der sich aus perfekter Vernetzung, einer Top-Ausbildung der Rettungskräfte und der fortschrittlichsten Technik ergibt, überlebenswichtig. Daher arbeitet das BRK daran, sich stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln, um auch in Zukunft Bayerns Bevölkerung zu schützen.
Das Bayerische Rote Kreuz treibt mit seinem Innovationswillen die Digitalisierung in großen Schritten voran. Dennoch wird dabei der Grundsatz der Menschlichkeit niemals vernachlässigt und steht nach wie vor an erster Stelle.
Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung
Im Zuge der fortwährenden Anpassung und Optimierung all seiner Bereiche hat das BRK mit dem „Fachbereich Produktentwicklung und Produktqualität“, kurz PEQ, die Standardisierung im bayerischen Rettungsdienst ein großes Stück vorangebracht. Vereinheitlichung ist dabei der Schlüssel, denn eine aneinander angeglichene, homogene Konfigurierung von Rettungswagen und Ausrüstung ermöglicht es den Rettern, sich unabhängig vom Einsatzort einfacher zurechtzufinden, um den Betroffenen schnellstmöglich bedarfsgerechte Hilfe zukommen zu lassen. Eine tragende Säule des Standardisierungsprogramms ist seit 2003 der zentrale Einkauf von einheitlichen Rettungsmitteln unter Federführung des BRK für alle Durchführenden im öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst in Bayern. Dazu zählen Investitionsgüter für den Landrettungsdienst, Rettungsmittel wie Rettungs- und Krankentransportwagen, Notarzt-Einsatzfahrzeuge und Intensivtransportwagen – ebenso Fahrtragen, Tragesessel sowie medizintechnisches Großgerät und Kommunikationsausstattung. In Einzelfällen werden auch landesweite Erstausstattungen koordiniert, wie dies zuletzt 2016 bei der Bereitstellung von Materialsets für besondere rettungsdienstliche Einsatzlagen der Fall war. Von 2003 bis heute wurden beispielsweise fast 2.000 Rettungswagen durch PEQ für den bayerischen Rettungsdienst beschafft und an die einzelnen Durchführenden ausgeliefert. Durch die maximale Standardisierung der Fahrzeuge können diese bei den Aufbauherstellern wirtschaftlich und effizient hintereinander in Linie gefertigt werden.
Bei allem, was wir tun, ist unsere oberste Prämisse, dass der Mensch trotz fortschreitender Digitalisierung weiterhin im Mittelpunkt steht.
Leonhard Stärk, BRK-Landesgeschäftsführer
Zusätzlich erlaubt es die einheitliche Konfiguration der Fahrzeuge, das diese erst unmittelbar nach Fertigstellung den jeweiligen Betreibern bedarfsgerecht zugewiesen werden. Der Vorteil dieser Verfahrensweise liegt auf der Hand: Nimmt beispielsweise die Beschaffung eines einzelnen Rettungsmittels von der Auftragserteilung bis zur Indienststellung in der Regel zwischen sechs und neun Monate in Anspruch, besteht durch die Zentralbeschaffung ein ständiger Zulauf an Neufahrzeugen für den Regelersatz.
Kernaufgabe des Fachbereichs „Produktentwicklung und Produktqualität“ ist die konzeptionelle Entwicklung der Rettungsmittel sowie deren Beschaffung. Ein Team aus rettungsdienstlich erfahrenen Technikern und Kaufleuten arbeitet hier eng verzahnt mit den Praktikern in den Arbeitskreisen zusammen, die aus Rettungsdienstmitarbeitern des BRK und der anderen Durchführenden im Rettungsdienst Bayern gebildeten wurden.
Das Zentralbeschaffungsprojekt und seine konsequente Umsetzung sind in dieser Art und Ausprägung einzigartig in Deutschland. Im Dialog mit den Basisfahrzeug- und Aufbauherstellern wird ein kontinuierlicher Entwicklungs- und Verbesserungsprozess initiiert. So wurde 2017 mit dem RTW Bayern 2017 ein Rettungswagen konzipiert, der ergänzend zu den üblichen Warneinrichtungen eine modifizierte Farbgebung aus Leuchtrot und Leuchtgelb an den Fahrzeugseiten besitzt. Diese in Anlehnung an das im angelsächsischen Raum an Einsatzfahrzeugen verbreitete „Battenberg-Design“ gestaltete Kennzeichnung soll die seitliche Erkennbarkeit des Fahrzeugs in Kreuzungsbereichen optimieren und somit Unfälle im Querverkehr verhindern. Mehr Sichtbarkeit für mehr Sicherheit beim Einsatz – nicht nur für die anderen Verkehrsteilnehmer, sondern insbesondere für die Retter selbst. Ein weiterer Teil des Entwicklungsprozesses ist neben einer regelmäßigen Lieferantenbewertung auch die Einbindung der Einsatzkräfte vor Ort, deren Anwendererfahrung und -urteil zu den Rettungsmitteln unmittelbar über ein strukturiertes Feedback-System in die Produktpflegemaßnahmen Eingang findet. Neben dem typischen Beschaffungsprozess zusammen mit dem strategischen Einkauf des BRK stehen hier Themen wie Bedarfserhebung und -planung sowie Qualitätssicherung im Vordergrund der täglichen Arbeit.
Im Zuge des Standardisierungsprozesses hat das BRK für sich einen zentralen Auftrag formuliert: die Entwicklung einer Vielzahl von technischen Innovationen sowie Anpassungen des Ausbildungskonzepts im Rettungsdienst. So wird nicht nur darüber nachgedacht, bei den Rettungssanitätern das technische Verständnis für ihre Ausrüstung besser zu schulen und sie somit zu „Technischen Rettungssanitätern“ zu qualifizieren, sondern auch geforderte ergonomischere Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen.
Bereits seit August 2017 wird in einem Pilotprojekt der Einsatz von AML Technologie in Bayern getestet. Das Kürzel steht für „Advanced Mobile Location“, ein Dienst zur Positionsbestimmung von Anrufern bei Nutzung einer Notrufnummer. AML wird in der EU bereits in Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Belgien, Litauen und Estland eingesetzt.
Wählt ein Anrufer die Notrufnummer 112, aktiviert das Handy zu Gesprächsbeginn automatisch WLAN und GPS, auch wenn das vorher noch nicht der Fall war bzw. diese Funktionen am Endgerät dauerhaft deaktiviert wurden. Die Daten werden abhörsicher per Internet an die Integrierten Leitstellen des BRK übersandt. Damit moderne Notfallmedizin für jeden Bürger in jedem Winkel Bayerns immer und möglichst schnell verfügbar ist, wurde vom Bayerischen Staatsministerium des Inneren das Pilotprojekt Telenotarzt ins Leben gerufen. Vor allem im ländlichen Raum trägt das Projekt dazu bei, dass ärztliche Kompetenzen noch schneller abrufbar sind. So kann das therapiefreie Intervall – vom Eintritt des Notfallereignisses bis zum Eintreffen des Notarztes – wesentlich verkürzt werden. Der Rettungsdienst ist hierbei sofort mit einem von der Integrierten Leitstelle aus operierenden Telenotarzt verbunden, schildert die Situation und überträgt Ton, Bild und medizinische Daten live. Damit ist der Telenotarzt virtuell sofort am Einsatzort in die Patientenversorgung eingebunden. Dem Telenotarzt steht ein Arbeitsplatz mit modernster Technologie zur Verfügung, der es erlaubt, gemeinsam mit dem Rettungsdienst vor Ort, schnelle lebenswichtige Entscheidungen zu treffen – und das, während der alarmierte Notarzt noch auf dem Weg zum Einsatzort ist. Die unmittelbare Verfügbarkeit des Telenotarztes erweitert das Handlungsspektrum für das Team der Erstversorgung und schafft damit schnellere und effizientere Hilfe für den Patienten.
Damit arbeiten zu jeder Zeit Notärzte sowie Rettungsdienst Hand in Hand und stellen so eine notfallmedizinische Versorgung auf höchstem Niveau sicher. Nach dem Eintreffen des Notarztes übergibt der Telenotarzt seine Zuständigkeit. Der Notarzt übernimmt die weitere Versorgung und begleitet den Transport. Ein Projekt, das Schule machen wird, allerdings nur dann langfristig in das Angebotsspektrum des BRK implementiert werden kann, wenn in puncto Datenübertragung die notwendigen Voraussetzungen gewährleistet sind. Denn das beim Einsatz eines Telenotarztes, der beispielsweise eine Ferndiagnose mittels hochauflösender Videoübertragung abgibt, anfallende, enorm hohe Datenvolumen kann nur mit einem leistungsstarken Sprach- und Datennetz bewältigt werden. Daher ist ein flächendeckender Netzausbau mit allen Mitteln zu forcieren.
Standardisierungsprozesse im Rettungsdienst und die Entwicklung einer Vielzahl von technischen Innovationen: Das BRK macht den bayerischen Rettungsdienst fit für ein neues Zeitalter, damit die Bevölkerung auch in Zukunft gut versorgt ist.